Endlich Pause (Hier könnt ihr auch lesen, wie ich meine Pause am liebsten habe).
Es war bisher ein turbulenter Tag und ich war froh, endlich mal nicht reden zu müssen. Nichts tun zu müssen. Ruhe im Schiff. Keiner, der quatscht. Keiner, der lärmt. Keiner, der schmutzt oder stinkt.
Ich stand auf ein Zigarettchen und Heißgetränk meiner Wahl vor der Notaufnahme. Das ist heikel. Denn sowie man irgendwo in Dienstkleidung herumsteht, ist man „da“. Ansprechpartner für jedermann.
„Sind sie hier Schwester/ Arbeiten sie hier?“
„Wo liegt denn Müller-Schulze?“
„Sie wissen schon, dass rauchen/ herumstehen/ schauen gefährlich ist? Ich dache, sie wissen das nicht. Daher sage ich ihnen das mal eben schnell im Vorübergehen!“
(Meine Kollegin hat mal ganz trocken darauf geantwortet: „Sie wissen schon, dass Schichtdienst ebenso ungesund ist. Trotzdem stehe ich hier. Ich arbeite hier sogar. Obwohl es für meine Gesundheit mit Gefahren verbunden ist. Stellen sie sich das mal vor!!!“)
„Kann ich sie mal eben fragen, ob ich möglicherweise einen Meniskusschaden habe, weil…..“
„Habe sie zufällig eine Zigarette/ Feuer/ kann ich wieder zum Ausdrücken kommen?“
„Wissen sie, ob es hier Privatzimmer mit Blick in den Park gibt? Vielleicht muss mein Vater demnächst mal ins Krankenhaus. Da dachte ich, ich frage mal eben ganz unverblümt. Man möchte ja nicht die Katze im Sack kaufen….“
Ja – lieber Himmel! Was steht man eben auch so herum, anstatt zu arbeiten. Selber schuld!
Da kam ein Mann auf mich zu.
Er sah aus wie direkt vom Bahnhof/ Kiez kommend. Auf mehrere Pullen Schnaps zusammen sitzend mit seinen Kumpels. Müffelnd. Verschlissene Kleidung. Ein am Rande der Gesellschaft stehender.
Von seinesgleichen hatte ich an diesem Tag schon tatsächlich mehrere behandelt. Kopfplatzwunde. Heftig betrunken, kaum erweckbar. Schnittwunde am Arm („Drecksbierflasche! Ist mit voll geplatzt!“). Hoppla -der Zucker ist aber wieder hoch heute!“
„Darf ich sie stören?“
Um Himmels Willen! Nein! Was würde er schon wollen. Einen Euro. Kippen. Feuer. Das übliche? Wie sag ich es meinem Kinde auf die höfliche Weise?
„Ungern. Ich hab Pause!“
„Ach so. Das wusste ich nicht. Entschuldigung.“
„Yo.“
„Ich wollte ihnen nur was sagen“.
Am liebsten hätte ich gesagt: „Mann! Geh weg. Lass mich in Frieden.“ Aber ich bin ein höflicher Mensch. Also übte ich mich im unbeteiligten Schauen. Was von den oben genannten Varianten würde er mir erzählen wollen?
„Hm? Und was?“
„Ich wollte ihnen nur sagen, dass ihr ein verdammt gutes Team seit. Ich bin sehr zufrieden. Ihr habt mich wieder toll hinbekommen. Danke dafür! Und Entschuldigung noch mal für die Störung!“
Er drehte sich um, bestieg sein klappriges Fahrrad und radelte von dannen.
Alta!
Ich stand da und schämte mich.
Wegen der Vorurteile. Der schroffen Abweisung. Der Wortkargheit. Weil ich dachte, ich weiß genau, wie das Gespräch von statten gehen wird.
Ich hatte mich geirrt. Es tut mir leid.
17. Juni 2017 at 22:45
So wird man doch gerne überrascht!
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18. Juni 2017 at 20:40
Ja, vor der Rente auch aus einer ähnlichen Branche. Nach dem Umbau war ich froh, wenn ich wusste, wie der Weg zum OP geht, da arbeite ich. Und dann wird man gefragt, wo gehts zur A42 oder sonstwohin. Und wer berät mich wegen meiner Krampfadern? Dann hab ich immer gesagt, ich sei neu hier.
Aber, vor gefühlt 100 Jahren war ich mit einer Kollegin auf dem Weg zum Raucherraum. Der Raum hatte sogar ein Telefon und wir meldeten uns immer mit: Vorzimmer Professor Kolkmann ( Das war unser Pathologe).
Auf dem Weg kam uns eine aufgeregte Dame aus der Portiersloge ( also dieser Glaskasten, wie bei einer Bank, im Foyer) hinterher gelaufen und wollte wissen, ob wir Krankenschwestern seinen, ich hab hier einen Notfall. Der Kluft nach stimmte es vielleicht. Aber, vielleicht hatte jemand einen Herzinfarkt erlitten, als er die Rechnung bekam?
OP Schwestern können generell keinen Herzinfarkt behandeln, nein, sie erkennen ihn nicht einmal! Trotz alledem sagten wir mal bescheiden zu und fanden in der Krankenwagenauffahrt einen PKW, einen überaus aufgeregten Mann und auf dem Beifahrersitz eine Frau, völlig ermattet und im Fußraum einen neu geborenen Säugling.Meine Kollegin eilte zum nahegelegenem Telefon aus besagten “ Vorzimmer“, bestellte eine Hebamme mit Nabelklemmen, ich wickelte derweil das laut schreiende Baby in meine Strickjacke ein, hob es auf den Schoss der Mutter, die Hebamme kam, nabelte ab und dann lief alles seinen Weg.
Als wir von den jetzt doch 2 Zigaretten wieder zurück kamen, hatte sich unsere Heldentat durch den Chefgynäkologen im OP soweit rungesprochen, dass wir wie echte Helden gefeiert wurden.
Aber: die echte Heldin ist die Mutter!!!
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18. Juni 2017 at 21:36
Shit happens. Mach dir bitte keinen Kopf deswegen. Wahrscheinlich hat der gute Mann voll des Lobes gar nicht mitbekommen, dass du kurz angebunden gewesen bist. 😉 Man begegnet sich ja bekanntermaßen stets zweimal, es ist also gut möglich, dass du irgendwann einmal die Gelegenheit bekommen wirst, mit ihm zu sprechen und dich zu erklären. 😉
Herzliche Grüße!
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2. Juli 2017 at 16:26
Draußen regnet’s unermüdlich, Garten fiel also aus und sonst war nix zu tun (jedenfalls nix, was ich nicht ignorieren könnte). Also mit reichlich Milchkaffe auf’s Sofa und mich rückwärts durch den ganzen Blog gelesen! 🙂
Ein schöner Tag! Hier gefällt’s mir, hier bleib ich! 🙂
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2. Juli 2017 at 16:28
Willkommen. Wie schön, dass du bist und es dir gefällt.
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2. Juli 2017 at 21:46
🙂 Danke!
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