Weckerrappeln: 5.11 Uhr.  Geplantes Aufstehen ist 5.15 Uhr. Realistische Aufstehzeit 5. 28 Uhr.

18471584_1406013619486230_2035300352_n

(Ich geh immer schon kichernd ins Bett, wenn ich meinem Hirn von diesem Plan erzähle und den Wecker stelle. Jede Minute ist morgens wertvoll und die gute Idee, des planvollen und pünktlichen Aufstehens möchte ich – auch nach Jahren -irgendwann, wenn ich mal „groß“ bin unbedingt umsetzen. Muss toll sein. Voll erwachsen und so. Mit Zeit für alles. Ohne Hektik.

Beim Zähne putzen lese ich das Internet schnell mal leer. Es ist internationaler Tag der Pflege. Hurra. Florence Nightingale ist in den Pflegeforen in aller Munde. Und das Treffen in Berlin von u.a. „Pflege in Bewegung“ mit der Bundesweiten Gefährungsanzeige. Quasi die Erben von Florence. Rettungsknopf statt Lampe.

 

5.50: Die Kollegin hat schon Kaffee gekocht.

18452053_1406030349484557_1996319898_o

6.00 Uhr. Dienstbeginn mit Übergabe. Ein junger Mann liegt mit Bauchschmerzen darnieder. Er wird bald von der Station abgeholt. Aber erste später, denn “ ….wir machen erst Übergabe!“

So bleibt Zeit, ein wenig zu plaudern. Eine Kollegin des Nachtdiensts war länger erkrankt. Jetzt geht es wieder und wir freuen uns. Außerdem hat sie Nussecken mitgebracht. Aus Freunde. Und wegen „endlich wieder gesund“ und „ich hatte Geburtstag“.

Leider sind sie Nussecken so lecker, dass ich kein Foto habe. Sie waren zu schnell weg.

Um 7.18 Uhr möchte eine DA- Patietin erneut krank geschrieben werden. Zwar hatte sie einen Unfall am Unterarm, aber die Schulter tut nun weh und es ist u n m ö g l i c h  so zu arbeiten. Dass sie dafür zu ihrem Hausarzt ,üsste, weil es nichts mit ihrem Arbeitsunfall zu tun hat, will sie gar nicht einsehen. Schließlich ist sie jetzt da. Und auch ein Arzt. Also alles paletti. Sie ist sehr laut und  sehr energisch. Widerspruch duldet sie selbst vom Oberarzt nicht, der zu diesen Minuten noch mit einer Engelsgeduld gesegnet ist. Das wird sich im Lauf des Tages ändern.

8.30 Es plätschert so dahin.

Verbändchen da. Gipschen neu hier. Fäden ziehen – gerne. Blut abnehmen. EKG. Zur Röntgenabteilung? Bitte hier entlang. Selbstverständlich machen wir einen schmerzstillenden Verband. Routine. Internistische Patienten gibt es noch nicht so richtig. Schließlich müssen erst die Ärzte die Praxen aufschließen, Patienten begutachten, in Pflegeheime fahren oder anrufen, Krankenwagen bestellen. Vor 10, 11 Uhr passiert da wenig. Bis auf die mal eben was abklären möchten. Bauchschmerzen. Husten.

 

9.12 Uhr. Das komplette Pflegepersonal der Frühschicht ist zufällig gerade an einem Fleck – Zeit für ein Fuß(self)ie zum Tag der Pflege.

18451822_1406030456151213_470674685_o

9.30 Uhr. Halb Zehn in Deutschland.  Zeit für Kaffee und Kippe Apfelschnitz.

In meinem Schrank hängt seit neustem das hier:

18471877_120332000825410899_326054324_o

Ich bin gerührt- Ein paar Socken meiner derzeitigen Lieblingsmarke. Vom Buddy reingeklebt. Stilecht mit Leukosilk. Wäre ich fünf Jahre älter und noch rührseliger – ich würde weinen vor Glück, (auch) solche Kolleginnen zu haben. So lass ich es hängen. Es ist zu schön, den Schrank aufzuklappen und derartige „Aufmerksamkeiten“ zu sehen. Ich hebe mir das auf. Für schlechte Tage.

 

Eine Patientin hat sich den Finger geklemmt. Der Ring geht nicht ab. Seife, Faden,, Ringschneider- alles funktioniert nicht. Wir rufen die Feuerwehr.  Netterweise rücken sie mit sechs Mann und drei kleinen Köfferchen an, um auszuhelfen.  Es ist kompliziert. Einer spritzt behutsam Wasser wegen der Hitzeentwicklung. Eine halbe Stunde sitzen  und schwitzen sie und friemeln sich geduldig einen ab. Autos aufschneiden scheint leicht dagegen.

Dann wird es halb 11 und 11 Uhr und es geht los. Im Schweinsgalopp durch die Zimmer. Hier eine Lungenentzündung. Dort ein dementer Mann mit Weglauftendenz. Wir setzten die Schülerin mit  der Zeitschrift „Landlust“ dazu. Nicht auszudenken, er klettert über die Liege und verletzt sich.

Da kommt einer mit Herzschmerzen und hier löste der Defi mehrfach aus. Die 90- jährige Mutter wird gebracht, weil die auf den Arm fiel und wo „wir doch schon gerade da sind, können sie doch sicherlich auch die Harnwegsinfektion abklären lassen und gerne stationär behandeln!“

Eine junge Frau mit Kopfschmerzen auf der Schmerzskala 0 (alles fein) bis 10 (gleich  ist es vorbei mit mir) gibt die Schmerzen mit 11 an. Licht und Geräuschempfindlich sei sie auch. Das ist ungünstig, denn aus Platzmangel liegt in einem Behandlungszimmer mit zwei anderen und hyperventiliert vor Schreck.

Der Rettungsdienst kommt zerzaust und verschwitzt. Auf der Liege liegt ein Mann sehr ruhig. „Aber “ erst seit wir ihn sediert haben.“ Der Mann hatte vielleicht einen Krampfanfall. So genau weiß man das nicht. Aber von seiner Kraft, Stärke und Aggression haben Sanis und Notarzt reichlich erfahren können. Jetzt zuckt er nicht und schnarcht laut. Auf seinem Handy schreibt Bernadette und freut sich auf den Abend mit ihm.

Die 14- jährige weint laut und ausdauernd, weil ihr der Blinddarm entfernt werden soll. Das OP- Team wartet. Die Mutti murmelt Trostworte, die nicht ankommen wollen.

Im Wartezimmer ist kein Platz mehr. Die Hälfte davon sind Menschen, die glauben, dass in der Notaufnahme Dinge passieren, von denen ihre Hausärzte offensichtlich nur träumen können. Das bringt den Oberarzt, der um 7.18 Uhr Geduld und Liebreiz in einer Person war, zu Verwandlung in „Dr. Was zum Teufel wollen die alle hier?“

Ein junger Mann hat sich bei einem Arbeitsunfall so tief ins Knie geschnitten, dass er eigentlich im OP versorgt werden soll. Das möchte er aber nicht. #ausGründen- wie er sagt. Welche das sind, wissen wir nicht. Aber versorgt werden muss es. Also wir er im Noteingriffsraum gespült, genäht und wieder hübsch gemacht. Nicht ohne, dass vorher der Narkosearzt, der Oberarzt und die Assistenzärzte mit ihm geredet hätten. Wir  schieben/drehen die Notaufnahme von links nach rechts. Denn im Noteingriffsraum lag eine kleine, uralte Frau mit fiesen Gallenbeschwerden und wartete auf ihren Ultraschall. „Ich darf einfach keine Leberwurst essen. Das bringt mich noch um.“

Ich nehme schon fast im Warteraum zwei Damen Blut ab, die möglicherweise eine Thrombose haben. „Da kommen wir doch gleich hierher. Das macht der Hausarzt doch gar nicht. Da kennen sie sich hier viel besser aus!“

Ein Mann kommt kreidebleich um die Ecke. Sein Herz rast. Meines mittlerweile auch.

Es gibt Tage, das ist es viel. Es gibt Tage, das ist es sehr viel. Und es ist gibt Tage, da hörst du dich nicht mehr denken.

Das war heut so einer. Am Tag der Pflege.

12.40 Uhr. Zeit für ein Schmerzmittel. Der Rücken. Die Füße.

Eine junge Frau wird auf der Sänfte vom Rettungsdienst gebracht. Der Rücken schmerzt so. Ungefähr bei 17 auf der Schmerzskala. Schmerzmittel wirken bei ihr nicht – sagt sie. Nie! Daher nimmt sie keine. Sie will es auch nur mal abklären lassen. Jetzt muss sie es eben unbedingt schnell ihren Freundinnen schreiben. Leider muss auch sie im Wartezimmer Platz nehmen. Sie läuft raschen Schritten hinter dem Rettungsdienst her, der ihr den Weg in den Warteraum zeigt.

Ähnlich, wie der Rettungsdienst Tags zuvor diesen hier brachte: ( Und wer jetzt sagt: Was ist das für 1 deutsch vond wegen Rechtschreibung…. macht nichts. Alles halb so wild. Wir verstehen das. Was zählt ist doch das Herz, nicht wahr?)

 

18452129_1406030379484554_2069988429_o

Zum Mittagessen gibt es RTLQuatsch. Der Fernseher lief – wer auch immer ihn angeschaltet hatte. Ich beließ es dabei.

Junge Männer, die aussehen wie Stulle, suchen die Liebe in Osteuropa. Sie sprechen kein Englisch. Macht nichts. Auch hier zählt allein die Liebe. Sie überwindet jede sprachliche Hürde. Leider hat  eine der auserwählten Damen Sommersprossen. Das geht nun gar nicht, sagt der Typ mit Bierplautze und Zauselbart. Der andere Mann wanzt sich an eine junge, hübsche Frau an und hat scheinbar noch nie gelernt, ein wenig auf die Körpersprache des Gegenüber zu schauen. Sie schaut ungefähr so, wie der Patient mit der Nierenkolik, kurz bevor er sich übergab.

 

14 Uhr. Übergabe. Ich kenne die Hälfte der Menschen auf der Triageliste nicht. Das ist selten. Meistens behält man doch den Überblick. So ungefähr zumindest. Egal wie viel los ist. Aber heute war eben noch mehr los.

 

Zuhause sitze ich erstmal ein bisschen auf dem Balkon. Unter einer Eule. Hurra – Florence- denke ich.Hier treibste dich also auch rum – am Tag der Pflege.

18452302_1406030516151207_888864934_o

Mittagsschläfchen. Ihr wisst ja – ein Mittagsschläfchen ist, wie den Tag mit Käse zu überbacken.

 

Das Kind möchte Schuhe kaufen. Es findet seine Traumschuhe. Sie sind potthässlich. Aber was weiß ich schon. Zum Trost steht vor dem Laden ein prächtiger Kastanienbaum in voller Blüte. Schönheit liegt eben immer im Auge des Betrachters.

18472709_1406030339484558_1218872709_o

 

Und dann lese ich noch, dass Catweazle gestorben ist. Natürlich der Schauspieler.

Orrrrr!

18471381_120332000747306113_1404317408_n

 

Freude. Für heute ist es genug. Ich hatte einen vollgepackten Tag voller Freud und Leid. Mit tollen Kollegen, Fuß- und Rückenweh. Dazu reichlich Augenpein sowie Augenschmaus.

Jetzt noch ein wenig Körper- und Schönheitspflege und dann geht`s morgen auch schon wieder los. 5.11 Uhr. Ihr wisst schon.

18471451_120332000777110725_805019975_n
Quelle unbekannt.

Oder wie Renate Bergmann bei Twitter sagen würde:

18447856_120332000732279967_1648077080_n

 

 

An jedem 12. eines Monat findet hier auf dem Blog das Fotoprojekt „12 von 12“ statt. Read more: http://draussennurkaennchen.blogspot.com/p/12-von-12.html#ixzz4gszoCfFp