Praktikanten können sehr süß sein. Oder höflich. Oder wissbegierig. Manchmal sind sie – nun… schwierig. Oder ein bisschen doof.
Die schlimmste Kombination, die es gibt, ist: Dummheit, gepaart mit Arroganz und der inneren Haltung: Freunde: Wo steht das Klavier? Lasst mich durch – ich bin Praktikant.
So einen Vogel haben wir gerade.
Ich werde mittlerweile tatsächlich leicht zickig, wenn sich neue Mitarbeiter/ Schüler/ Ärzte/ Praktikanten/ im Weg Rumsteher/ Famulanten ( bitte ergänzt sinnvoll weiter) sich nicht vorstellen. Vor allem, wenn man weiß: die sind nicht nur für eine halbe Stunde da – nein: Sie sind gekommen, um zu bleiben. Mindestens eine Woche oder mehr.
Da kenne ich nix.
Unsere Ausgangslage ist bisher mehr so nonverbal. Ich beobachte ihn seit drei Tagen und kenne theoretisch seinen Namen immer noch nicht, weil er sich eben nicht vorgestellt hat. Aber , pöh` – dann halt nicht.
Kann man ja machen – aber dann ist das halt scheiße. Grundregeln der sozialen Kommunikation sind doch ganz nett und hilfreich. Und all mein super schlaues Wissen bleibt eben bei mir. Da werde ich nämlich arrogant. Dann gibt es keinen Erklärbär.
Der Namenlose grämt sich ein bisschen. Und ja – es ist auch Langeweile dabei. Das hat er sich anders vorgestellt, das Leben in einer Notaufnahme. Mehr so Emergency Room. Mit Titelmelodie im Hintergrund.
„Ach – wie unendlich schade“, bedauerte er kürzlich. Er „würde sich mehr Reanimationen und gequetschte Hirne wünschen.“
Dabei verhedderte er sich in den Kabeln des EKGs und lege die Blutdruckmanschette falsch herum an. Oben war unten – hinten war vorne. Ich wusste bisher nicht, was man da alles falsch machen kann.
„Schätzelein“, sagte meine Kollegin gütig. „Schätzelein. Meinst du nicht, dass- bevor wir zum gequetschten Hirn kommen – erst einmal ein paar Basics drauf haben sollten?“, fragte sie und half ihm, 12 Kabel zu entwirren.
„Ach. Immer nur EKGS schreiben und Blutdruck messen ist halt irgendwann langweilig!“
„Wie lange machst du den Job jetzt?“
„Ich hab den dritten Tag heute!“
“ Ah – ja! Na dann.“
Ich bot ihm an, 375 Binden in den Raum zu werfen, damit er etwas gegen die Langweile zu tun hätte. Und um die Wartezeit zu überbrücken, bis die gequetschten Hirne kämen. Das wäre ja auch meine Aufgabe gewesen, als ich seinerzeit anfing: Waschschüsseln schrubben, Betten beziehen und fromm schauen.
„Früher!“, sagte er leicht verächtlich.
Früher hätte mir meine Stationsschwester bei lebendigem Leib den Kopf abgerissen für derartige Antworten. Ich bedauerte in diesem Augenblick sehr, dass früher schon so früh war.
Ach, es ist eben ein Elend. Da bist du Automechaniker und möchtest mal eben die Welt retten – und dann passiert nix. Und immer verdüddelst du die EKG Kabel und musst Blutdruck messen und Patienten zum Röntgen schieben und weit und breit stirbt keiner. Noch nicht einmal ansatzweise.
Ich bin es manchmal so leid.
Und zickig. Und voll gelangweilt von solchen Typen.
Wahrscheinlich ist er sonst ein netter Typ. Möglicherweise. Andererseits- kennen sie Wayne? John Wayne interessiert das?
12. Mai 2016 at 21:15
Da lobe ich mir den Praktikanten, der während meines Krankenhausaufenthalts in der Orthopädischen Station zugange war – der war auf Zack! Und freundlich! Und stets bemüht zu helfen, hat echtes Interesse gezeigt – am Ende seines Praktikums hat er sich dann aber doch entschlossen, einen anderen sozialen Zweig einzuschlagen, ihn zog es in die Altenpflege. Ich hoffe, er ist immer noch so wach, intelligent, interessiert und fleißig…
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12. Mai 2016 at 21:34
Die gibt es auch. Und es ist eine Freude, mit ihnen zu arbeiten! 🙂
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12. Mai 2016 at 21:18
Generation „Mut zur Lücke“ 😉
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12. Mai 2016 at 21:33
Eher Generation : Hä? Was? War was?
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12. Mai 2016 at 21:33
Eher Generation : Hä? Was? War was? Und wo ist das Klavier?
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12. Mai 2016 at 21:24
Herrlich! Solche Typen liebe ich ja auch. Stellen sich nicht vor (damit ist man dann eh schon bei der ganzen Wache unten durch), erwarten dann aber, im Mittelpunkt zu stehen. Können nix (wie auch, wenn die Routine fehlt, ist ja an sich nicht schlimm) lassen aber den Rettungsgott raushängen und wollen der Welt zeigen, welch begnadetes Naturtalent der Schöpfer uns da gesandt hat… ^^
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12. Mai 2016 at 21:29
Der Schöpfer meint es leidet gerade nicht so gut mit uns 😛
Mit ihm bestimmt! Ganz bestimmt. Ende der Nahrungskette uns so. Ganz großes Vollpfostenkino….
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12. Mai 2016 at 21:25
Danke, dass ich heute Abend noch mal herzhaft lachen konnte! 😀
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12. Mai 2016 at 21:35
Hurra! Für dich immer wieder gerne 😀
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12. Mai 2016 at 21:28
Also ich (m36) habe selbst gerade die dipl. Ausbildung begonnen und habe im Sommer mein erstes Praktikum und werde diese Geschichte beherzigen. So, jetzt aber wieder zurück zum Anatomie büffeln. 😉 und danke für die lustigen Geschichten aus deinem Alltag!
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12. Mai 2016 at 21:31
Sehr gerne. Viel Erfolg für dein Praktikum. Das Vorstellten hast du ja jetzt drin – im Hirn und Herz. Der Rest ist ein Kinderspiel 😉
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12. Mai 2016 at 21:44
Das ist mittlerweile auch ein leider häufig anzutreffendes Verhalten bei Schülern… werden dann halt nur „ey du“ genannt.
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12. Mai 2016 at 22:03
Bei uns laufen sie meist im Rudel auf. (Die Planung der Schule….kannste dir nicht ausdenken!) Ich nenne sie dann immer alle zusammen „die Kinder“ 😉
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12. Mai 2016 at 22:25
Ja….solche vermehren sich momentan irgendwie immens….Die „normalen“ Praktikanten sind irgendwie eine
aussterbende Gattung…
Bei uns auf Station (viele geriatrische Pat.) passiert es immer öfter: das Praktikum wird begonnen….
– das Personal wird schon wissen, wie man heisst, schliesslich müssen sie ja dankbar sein, einen so tollen Prakti-
kanten bekommen zu haben…
– wie…Schichtdienst….aber ich habe abends immer was vor und am Wochenende…also da bin ich ausgebucht…
– Früh um sechs?…da fährt doch gar kein Bus…also vor acht komm ich nicht…und nach sieben abends ist auch
ganz schlecht….
– wie…keine Uhren und Festivalbänder tragen, Haare zusammen machen…das mache ich nie…also mache ich es
bei euch nicht….und überhaupt, was soll das alles überhaupt? Die schikaniert mich doch bestimmt nur….
-wie….das Handy hat in der Kitteltasche nichts verloren, ohne Handy bis zur Pause? Nicht machbar….
-man kommt am zweiten Tag einfach nicht mehr…
-man lässt sich versetzen…Pflegealltag hat man sich doch anders vorgestellt…Op, Notbehandlung, ja das ist was
los….
-man glänzt durch Desinteresse, denn das Praktikum ist ja nur Pflicht und nicht freiwillig….
-man muss ständig trinken oder auf den Pott….denn da hat man seine Ruhe…
-man möchte eigentlich ein Praktikum bei den Ärzten machen, die haben ja schließlich die längeren Kittel an
und den viel tolleren Job….
-wieso muss ich den schon wieder „füttern“, das hab ich doch gestern schon gemacht….ja der Mensch möchte
leider heute auch essen…
– das Geräusch, das man Klingelton nennt, ist unbekannt….
-neulich war eine da, die hatte am zweiten Tag Angst vor den Patienten
Ist ja gut…wenn sie es im Praktikum merken, dass sie woanders besser aufgehoben sind…
schlimmer ist die Sache dann, wenn sie Azubis sind und nicht merken wollen, dass es auch Alternativen gäbe…
Du formulierst es alles so toll, das man trotz allem drüber lächeln kann…..
LG Smilla
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12. Mai 2016 at 22:27
Erstmal: schön geschrieben, kann man sich wieder finden.
Aber ich muss auch mal für alle Praktikanten, Schüler und Weiterbildungsteilnehmer (zu letzterer Gruppe gehöre ich seit April) eine Lanze brechen:
Un großen Teams ist es manchmal nicht möglich, sich bei allen vorzustellen. Das es zur Höflichkeit gehört, ist keine Frage.
Ich bin allerdings vor 2 Jahren auf einer großen ICU mit allein 100 Kollegen in der Pflege (!) gelandet – da ist im Stress der neuen Situation bestimmt auch das vorstellen bei dem ein oder anderen ausgefallen.
Vielleicht auch einfach mal über den eigenen Schatten springen und sagen „wir kennen uns noch nicht, oder?“ — der neue wird euch dankbar sein. Und es tut ja auch nicht weh.
Gruß
Einer, der sich die nächsten 2 Jahre immer wieder als „der neue“ fühlt 😉
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13. Mai 2016 at 1:51
Du sprichst mir aus der Seele! Mit allem!
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13. Mai 2016 at 2:42
Hehe😉
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13. Mai 2016 at 10:06
Oh, Yeah ! Mein Praktikant kommt aus einer “ alteingesessenen Arztfamilie“. Er hat leider sein Studium schon hinter sich. Wir behandeln eine polytoxe Patientin, die mit 5,2 atü auf dem Kessel eingeliefert wird und etwas von Valium stammelt, das sie außerdem regelmässig nimmt, zusammen mit den anderen Substanzen vom freien und illegalen Markt. Ich frage den Praktikant. Ich muss das ! Leider !
Der Praktikant sagt, er wolle kein Valium anordnen. Da sei die Suchtgefahr zu groß. Ich beherrsche mich mühsam, Lachen weinen oder um mich schlagen. Ich weiss nicht.
Beim Rausgehen sagt der Praktikant zu mir : “ Gut gemacht, Schwester, weiter so !…..Ich möchte Substanzen nehmen und schreien, wie soll ich sonst die vier Jahre bis zur Rente überstehen ? LG Gitta
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13. Mai 2016 at 11:24
Also wenn man als Berufseinsteiger mit 25 schon 10 Jahre Berufserfahrung verweisen sollte, kann man doch nach drei Tagen Praktikum durchaus mal ein gequetschtes Hirn in Angriff nehmen. Vielleicht kann man ja erstmal mit dem eigenen etwas üben. 🙂
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4. Juni 2016 at 19:29
Ich möchte jedes einzelne deiner Worte knutschen.
„Dabei verhedderte er sich in den Kabeln des EKGs und lege die Blutdruckmanschette falsch herum an. Oben war unten – hinten war vorne. Ich wusste bisher nicht, was man da alles falsch machen kann.“
Soooo gut!!
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4. Juni 2016 at 20:39
Knutschen *kicher *. Nur zu 😗
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4. Juni 2016 at 19:51
“ alteingesessenen Arztfamilie“…oh Gott ja. Die sind wirklich oft die Allerschlimmsten…
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